Was regelt das Selbstbestimmungsgesetz?

Allgemeine Informationen zum Selbstbestimmungs­gesetz

Erklärung

Die Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen ist ab dem 1. November 2024 durch eine einfache Erklärung beim Standesamt möglich. Diese kann grundsätzlich bei jedem Standesamt abgegeben werden. Sie muss drei Monate vorher beim selben Standesamt, bei dem die Erklärung abgegeben wird, angemeldet werden. Neuen Geschlechtseintrag und Vornamen müssen nach derzeitigem Stand erst beim eigentlichen Termin angegeben werden.

Fristen zur Änderung​

Eine erneute Änderung ist erst wieder nach einer Sperrfrist von einem Jahr möglich. Geschlechtseintrag und Vornamen werden durch das SBGG miteinander verbunden: Wenn der Geschlechtseintrag zu einem Eintrag geändert wird, den die Person schon einmal hatte, muss auch der damalige Vorname wieder angenommen werden.

Staatsangehörigkeit

Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit können Geschlechtseintrag und Vornamen nach dem SBGG nur unter bestimmten Bedingungen ändern: sie müssen eine unbefristete dauerhafte Aufenthaltserlaubnis, eine verlängerbare befristete Aufenthaltserlaubnis oder eine Blaue Karte EU besitzen.

Mögliche Einträge

Mögliche Geschlechtseinträge sind dabei „männlich“, „weiblich“, „divers“ oder die Streichung des Eintrags („keine Angabe“). Es müssen, anders als noch im TSG geregelt, sowohl Geschlechtseintrag als auch Vornamen gleichzeitig geändert werden, d.h. eine Person, die ihren Geschlechtseintrag ändert, kann bisherige Vornamen in der Regel nicht behalten aber auch nicht nur den/die Vornamen ändern.

Kinder & Jugendliche

Minderjährige ab 14 Jahren können die Erklärung nur mit Zustimmung all ihrer gesetzlichen Vertreter*innen (i.d.R. die Eltern) abgeben; bei unter 14-Jährigen können nur die gesetzlichen Vertreter*innen die Erklärung abgeben. Die Personen, die die Erklärung abgeben, müssen außerdem versichern, dass sie zur Änderung der Angaben beraten wurden und über die Auswirkungen informiert sind. Eine solche Beratung kann z.B. communitybasierten Beratungsstellen oder bei freien und öffentlichen Träger*innen der Kinder- und Jugendhilfe stattfinden. Für Minderjährige gilt die einjährige Sperrfrist für eine erneute Änderung nicht.

Geschäftsunfähigkeit

Für geschäftsunfähige volljährige Personen, für die in diesen Angelegenheiten eine Betreuung bestellt wurde, kann die Erklärung zur Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen nur durch die*den Betreuer*in mit Zustimmung des Betreuungsgerichts abgegeben werden.

Rechtlicher Geschlechtsbegriff

Das Selbstbestimmungsgesetz regelt das Verfahren zur Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen. Es regelt nicht die Voraussetzungen für medizinische geschlechtsangleichende Maßnahmen oder deren Kostenübernahme.

Das Selbstbestimmungsgesetz stellt auch klar: Nicht der Geschlechtseintrag ist bei der medizinischen Versorgung oder dem Schutz aufgrund von Schwangerschaft und Geburt entscheidend, sondern die körperlichen und medizinischen Bedarfe einer Person. Das ist etwa bei Brust- oder Prostatakrebsvorsorge wichtig.

Der Schutz vor Diskriminierung aufgrund des Geschlechts besteht unabhängig vom personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrag. Hier kommt es darauf an, welches Geschlecht der Person in der Situation zugeschrieben wird. Wenn eine Person aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert wird, erfolgt das in der Regel ohne vorherigen Blick in ihre Geburtsurkunde.

Auch beim Zugang zu geschlechtsspezifischen Räumen kommt es nicht auf den amtlichen Geschlechtseintrag, sondern auf die geschlechtliche Identität der Person an. Diese Rechtslage bestand auch schon vor dem Selbstbestimmungsgesetz: Der Eintritt in eine geschlechtergetrennte Sauna ist nach wie vor ohne Vorlage einer Geburtsurkunde oder eines Ausweisdokuments möglich. Der Zugang zu geschlechtsspezifischen Räumen darf nicht aufgrund der körperlichen Merkmale einer Person verwehrt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verknüpfung von bestimmten körperlichen Merkmalen und der geschlechtlichen Anerkennung klar aufgehoben. Insofern sind vor allem die Hinweise auf das Hausrecht im SBGG missverständlich: Das Hausrecht gilt nur in den gesetzlichen Schranken, insbesondere denen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG).

Weitere Informationen zum Selbstbestimmungsgesetz und zu Trans*geschlechtlichkeit allgemein finden sich auch in der Broschüre: Soll Geschlecht jetzt abgeschafft werden? – 12 Antworten auf Fragen zum Thema Selbstbestimmungsgesetz und Trans*geschlechtlichkeit

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Kritik am Gesetz und ausstehende Reformbedarfe

Im Gesetzgebungsprozess wurde vor allem Misstrauen gegenüber trans* Personen und die Unterstellung von Missbrauch durch insbesondere cis Männer thematisiert. Das schlug sich auch in der Gesetzesbegründung und einzelnen Regelungen nieder. So legt die Aussetzung des Selbstbestimmungsgesetzes für Personen mit männlichem Geschlechtseintrag während eines Spannungs- und Verteidigungsfalles nahe, dass Änderungen des Eintrags nur zum Zweck der Umgehung des Diensts an der Waffe vorgenommen würden.
Anmelde- und Sperrfrist schränken das Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung ein und verschlechtern die Lage für Personen, die bisher ohne solche Fristen ihren Eintrag nach § 45b PStG ändern konnten. Die überflüssigen Ausführungen zum Hausrecht legen eine Änderung der bestehenden Rechtslage nah und laden damit zu neuerlichen Diskriminierungen von insbesondere trans* Frauen und trans*femininen Personen ein. Trans*, intergeschlechtlichen und nicht-binären Personen ohne Aufenthaltstitel, die ohnehin bereits unter erschwerten Bedingungen in Deutschland leben, können ihren Eintrag nicht ändern.

Über das Selbstbestimmungsgesetz hinausgehende Reformbedarfe

Nach wie vor steht die gesetzliche Neuregelung der Kostenübernahme geschlechtsangleichender Maßnahmen sowohl für trans* als auch nicht-binäre Personen durch die Krankenkassen aus.

Ebenso bedarf es weiterhin eines (noch im Eckpunktepapier zum SBGG von Mai 2023 angekündigten) Entschädigungsfonds für trans* und intergeschlechtliche Personen, die von Körperverletzungen, Sterilisationen und Zwangsscheidungen betroffen waren.

Eine diskriminierungsfreie Neuregelung des Abstammungsrechts, die auch trans*, intergeschlechtliche und nicht-binäre Eltern angemessen berücksichtigt, steht ebenfalls aus.

Schließlich ist der antidiskriminierungsrechtliche Schutz von trans*, intergeschlechtlichen und nicht-binären Personen umfassend sicherzustellen.

Weitere Ausführungen zu den Reformbedarfen, die sich auf einzelne Regelungen im Selbstbestimmungsgesetz beziehen, und ausführlichere Kritik mit den Stellungnahmen der einzelnen Verbände gibt es hier:

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