Informationen zum Gesetz – Die Vorgeschichte
Das Selbstbestimmungsgesetz regelt ausschließlich die Korrektur des Vornamens und des Geschlechtseintrages. Es löst die bisherigen Verfahren zur Vornamens- und Personenstandsänderung ab und vereinheitlicht diese. Bis dahin existierten zwei unterschiedliche Wege um einen neuen Geschlechtseintrag zu erreichen. Zum einen das sogenannte Transsexuellengesetz (TSG), zum anderen das Gesetz zur sogenannten „Dritten Option“ (§45b PStG). Beide Verfahren hatten inhaltlich eine fremde Perspektive / ärztliche Meinung erfordert, um die tatsächliche Geschlechtsidentität unter Beweis zu stellen. Diese „Fremdbestimmung“ wurde mit dem Selbstbestimmungsgesetz nun abgeschafft.
1. Transsexuellengesetz
Das Transsexuellengesetz existierte seit 1981. Nach dem TSG mussten transgeschlechtliche Menschen einen Antrag bei Gericht stellen, um eine Korrektur des Vornamens und Geschlechtseintrags zu erreichen. Dieses Gerichtsverfahren war zum einen mit erheblichen Kosten von ca. 1500-2000€ verbunden, aber auch verschiedenen Regelungen, die als verfassungswidrig eingestuft wurden. So entschied das Bundesverfassungsgericht bspw. 2008, dass der unfreiwillige Zwang zur Ehescheidung gegen die Grundrechte verstößt und 2011 wurde der Zwang zur Sterilisation abgeschafft, um nur zwei Beispiele zu nennen. So hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach einzelne Teile dieses Gesetzes für verfassungswidrig erklärt. Übrig geblieben ist eine „Gesetzesruine“ bei der lediglich die Begutachtungspflicht erhalten blieb. Diese verlangte zwei unabhängige psychologische Sachverständige, die untersuchen sollten, ob der Transitionswunsch wahr ist, ob er vseit mind. 3 Jahren besteht und ob er von Dauer ist und sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ändern wird. In diesem Begutachtungsverfahren wurden oftmals sehr intime Fragen gestellt zum Sexualverhalten, sexuellen Vorlieben, Perversionen und Ähnliches. Dieses wurde von Betroffenen als entwürdigend empfunden.
2. Personenstandsgesetz §45b
Des Personenstandsgesetz §45b – auch „Dritte Option“ genannt – wurde Ende 2018 eingeführt, um den Geschlechtseintrag „divers“ zu ermöglichen. Bis dahin existierten bereits die Geschlechtseinträge „weiblich“ und „männlich“, sowie seit 2013 der Geschlechtseintrag „ohne Angabe“. Da „ohne Angabe“ eine Leerstelle im Geschlechtseintrag hinterließ, handelt es sich um einen sogenannten Negativeintrag. Männlich und Weiblich hingegen sind Positiveinträge und „divers“ kam als neuer dritter Positiveintrag hinzu. So entstand in der öffentlichen Wahrnehmung der Eindruck, es gäbe neben weiblich und männlich eine „Dritte Option“, so dass diese ihren Namen erhielt. Tatsächlich war es jedoch die vierte Möglichkeit eines Geschlechtseintrags. Nach diesem Gesetz war es erforderlich, beim Standesamt eine Erklärung abzugeben, um den Geschlechtseintrag korrigieren zu lassen. Voraussetzung war – ähnlich TSG – eine fremde Perspektive, also eine fachärztliche Meinung. Es musste ein ärztliches Attest vorgelegt werden, welches eine „Variante der Geschlechtsentwicklung“ bescheinigte. Dieser medizinische Terminus wird zwar in den meisten medizinischen Fachkreisen als „Intersexualität“ bezeichnet, aber es gab auch Auffassungen, dass „Transsexualität“ ebenfalls eine „Variante der Geschlechtsentwicklung“ darstelle. Der Begriff ist fluide und wurde im Zuge wissenschaftlicher Forschungserbegnisse häufig neu- bzw. umdefiniert.
Zwei verschiedene Verfahren entstehen
Nachdem die Bundesregierung aus CDU und SPD bereits im Gesetzgebungsverfahren darauf hingewiesen wurde, dass es keinen Sinn machen würde neben dem bereits existierenden TSG einen weiteren Weg zur Änderung des Geschlechtseintrags einzuführen, weigerte sich jedoch insbesondere die Union beide Gesetze zu vereinfachen und forcierte eine Ungleichbehandlung zwischen intergeschlechtlichen Menschen, die das neue Verfahren nutzen sollten und transgeschlechtlichen Menschen, die weiterhin auf das TSG verwiesen werden sollten. Unmittelbar nach Inkrafttreten der „Dritten Option“, kam es dann auch zum Eklat und transgeschlechtliche Menschen nutzten den neuen Weg ebenso. Es kam zu hunderten Gerichtsverfahren bundesweit bis der Bundesgerichtshof urteilte eine „empfundene Intersexualität“ dürfe nicht nach §45b PStG geregelt werden, sondern über das TSG. Damit wurde transgeschlechtlichen Menschen das Verfahren zum korrigierten Geschlechtseintrag beim Standesamt verweigert. Dafür war nun auch über das TSG nicht mehr nur die Option weiblich oder männlich möglich, sondern man konnte ab sofort auch hier „divers“ oder „ohne Angabe“ wählen.
Nun hatte man zwei verschiedene Wege, die zum selben Ziel führten. Sowohl über PStG 45b als auch über TSG konnte man nun die Geschlechtseinträge „weiblich“, „männlich“, „divers“, „ohne Angabe“ wählen. Unterschied bestand lediglich darin, dass die eine Personengruppe vor Gericht mussten, einen hohen Kostenaufwand hatten und sich psychologisch entwürdigenden Fragen stellen mussten. Die andere Personengruppe erhielt die Möglichkeit das Verfahren relativ günstig gegen eine kleine Gebühr beim Standesamt zu durchlaufen und musste hier „nur“ ein Attest vorlegen. Diese Ungleichbehandlung wird mit dem Selbstbestimmungsgesetz vereinfacht, wobei die neu eingeführte 3-monatige Anmeldefrist eine Verschlechterung zum §45b PStG darstellt. Ob das verfassungsgemäß ist, wird sich vermutlich noch zeigen.
Beim TSG fanden Untersuchungen heraus, dass 99% aller TSG-Gutachten positiv verliefen. So entstand die Frage, warum man an dieser Praxis noch festhalte und der Wunsch OHNE Fremdbestimmung, also ohne ärztliche Drittmeinung, diese Entscheidung zu treffen. So gab es mehrere Anläufe aus der Community heraus ein Selbstbestimmungsgesetz zu fordern. Dieses Anliegen wurde in einigen vorherigen Regierungskoalitionen nie angegangen, stattdessen haben es die Oppositionsparteien hin und wieder vorgebracht. 2024 war es erstmals eine Regierungskoaltion aus SPD, FDP und GRÜNE, die das Selbstbestimmungsgesetz als queerpolitisches Vorhaben in den Koalitionsvertrag aufgenommen und 2024 letztendlich verabschiedet hat.