§ 10 SBGG

Änderung von Registern und Dokumenten

(1) Sind der Geschlechtseintrag und die Vornamen einer Person im Personenstandsregister geändert worden, so kann sie, sofern eine Anpassung nicht bereits aufgrund anderer gesetzlicher Regelungen erfolgt, verlangen, dass Einträge zu ihrem Geschlecht und ihren Vornamen in amtlichen Registern geändert werden, wenn dem keine besonderen Gründe des öffentlichen Interesses entgegenstehen. Die bisherigen Einträge und eingereichten Dokumente bleiben in amtlichen Registern erhalten.

(2) Die Person kann auch verlangen, dass folgende und damit vergleichbare Dokumente, soweit diese Angaben zum Geschlecht oder zu den Vornamen enthalten und zur Aushändigung an die Person bestimmt sind, mit dem geänderten Geschlechtseintrag und den geänderten Vornamen neu ausgestellt werden, soweit ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht werden kann:
1. Zeugnisse und andere Leistungsnachweise,
2. Ausbildungs- und Dienstverträge,
3. Besitzstandsurkunden,
4. Führerscheine,
5. Versicherungsnummernachweis und elektronische Gesundheitskarte und
6. Zahlungskarten.

Nicht mit dem geänderten Geschlechtseintrag und den geänderten Vornamen neu ausgestellt werden:
1. gerichtliche Dokumente,
2. nach dem Beurkundungsgesetz oder dem Personenstandsgesetz errichtete Dokumente,
3. Dokumente, die durch die Veränderung des Vornamens oder des Geschlechts ungültig werden.
Bei der Neuausstellung sind die zu ändernden Dokumente von dieser Person im Original vorzulegen und von der Stelle im Sinne des Absatzes 3 einzuziehen oder für ungültig zu erklären. Kann das zu ändernde Dokument nicht vorgelegt werden, so hat die Person an Eides statt zu versichern, dass sie weder im Besitz des Dokumentes ist noch Kenntnis von dessen Verbleib hat.

(3) Der Anspruch nach Absatz 2 richtet sich gegen die öffentliche oder private Stelle oder Person,
1. die das zu ändernde Dokument ausgestellt hat,
2. die ausstellender Vertragspartner der nach Absatz 2 berechtigten Person ist oder
3. die sonst zur Ausstellung einer Zweitschrift befugt ist.
Die nach Absatz 2 berechtigte Person hat die angemessenen Kosten der Neuausstellung zu ragen.

Die folgenden Ausführungen sollen die Inhalte des Selbstbestimmungsgesetzes verständlich erklären. Es sind noch nicht alle Regelungen kommentiert. Sie bilden unseren jetzigen juristischen Wissensstand ab (Juli 2024). Wir beziehen uns auf den Gesetzestext und die Gesetzesbegründung. Gegebenenfalls ergeben sich zu einem späteren Zeitpunkt Anpassungsbedarfe. Unter dem Menüpunkt ‚Kritik‘ finden sich kritische Einordnungen des Gesetzes aus Perspektive von (Selbstvertretungs-)Organisationen.

§ 10 SBGG regelt den Anspruch einer Person darauf, Einträge in amtlichen Registern und wichtige Dokumente nach der Änderung anzupassen. Wenn eine Person ihren Geschlechtseintrag und ihre(n) Vornamen geändert hat, aber z.B. Personalausweis, Führerschein und Schulzeugnis nicht mit diesen Angaben übereinstimmen, führt das zu Erklärungsnot bis hin zu einer ungewollten Offenbarung der Änderung.

Das Standesamt meldet die Änderungen automatisch an die Meldebehörde des Wohnortes (§ 57 Abs. 4 Nr. 4 PStV). Dort kann man neue Ausweispapiere beantragen, auf denen dann direkt die neuen Daten stehen. Andere amtliche Register werden nicht automatisch geändert. Bei ihnen kann man die Änderung beantragen. Das betrifft z. B. das Grundbuchamt.

Diese Register müssen geändert werden, wenn keine besonderen Gründe des öffentlichen Interesses entgegenstehen.

Die alten Daten bleiben in den amtlichen Registern (z.B. Melderegister, Handelsregister) aber erhalten, damit eine Person z.B. bei einer Meldeamtsanfrage gefunden werden kann.

Bei besonderem Interesse kann eine Auskunftssperre in das Melderegister eingetragen werden (§ 51 Abs. 1 BMG). Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat in seiner Beschlussempfehlung zum Selbstbestimmungsgesetz explizit darauf hingewiesen, dass Personen, die ein SBGG-Verfahren durchlaufen haben, sich regelmäßig einer konkreten Bedrohungslage ausgesetzt sehen, die zur Erteilung einer Auskunftssperre berechtigt.

Der Auszug aus dem Register, z.B. aus dem Geburtsregister oder dem Grundbuch, enthält aber nur noch die neuesten Daten. Einsicht in den alten Teil des Registers erhalten nur solche Stellen, die in dem konkreten Fall ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis auch von den alten Daten geltend machen können, also z.B. Sicherheitsbehörden.

Auch bereits ausgestellte Dokumente von privaten oder staatlichen Stellen müssen an den geänderten Geschlechtseintrag und Vornamen angepasst und berichtigt neu ausgestellt werden, wenn diese Angaben vorher auch schon in dem Dokument enthalten waren.

Voraussetzung für diese Änderung der Dokumente ist, dass man dafür ein berechtigtes Interesse hat. Ein solches wird angenommen, wenn damit eine Übereinstimmung der verschiedenen Papiere erreicht werden kann und dies glaubhaft gemacht wird (Umsetzung des Offenbarungsverbotes!).

Im § 10 Absatz 2 SBGG sind beispielhaft Dokumente aufgezählt, die geändert werden müssen. Auch von der Bedeutung her ähnliche Dokumente können geändert werden.

Ebenfalls geändert werden müssen Zahlen oder Buchstabenkombinationen, wenn sich daraus der Geschlechtseintrag oder Vorname ergibt. Wie z.B. bei der Rentenversicherungsnummer. Oder auch die gespeicherten Daten auf der Krankenversicherungskarte. Dokumente e können dann auch neu ausgestellt werden.

Wenn man die Anpassung von Dokumenten verlangt, muss das Originaldokument vorgelegt werden. Dies wird dann von der Stelle, die das neue Dokument ausstellt, einbehalten.
Falls das Originaldokument nicht mehr existiert, kann die betreffende Person an Eides statt versichern, warum das Dokument nicht mehr vorhanden ist (z.B. verloren, geklaut).

Die Anpassung des Geschlechtseintrages und Vornamen in einem Dokument kann bei der Stelle beantragt werden, die das ursprüngliche Dokument auch ausgestellt hat oder die zur Vertretung dieser Stelle befugt ist oder Zweitschriften ausstellen darf. Ein Arbeitszeugnis muss bspw. von dem ehemaligen Arbeitgeber neu ausgestellt werden, ein Schulzeugnis von der ausstellenden Schule usw. Wenn Unterlagen von Dritten über eine Person z.B. in einer Personalakte des Arbeitgebers sind, etwa das Arbeitszeugnis eines anderen Arbeitgebers, gibt es keinen Anspruch auf Änderung gegen den aktuellen Arbeitgeber. Den Anspruch, die Anpassung der Dokumente zu verlangen, hat man nur direkt im Verhältnis zu den Stellen, die diese ausgestellt haben.

Kosten, die für die Neuausstellung eines Dokumentes entstehen, sollen in angemessener Höhe von der beantragenden Person verlangt werden können. Dadurch will der Gesetzgeber verhindern, dass die Anpassung unwichtiger Dokumente verlangt wird. Eine Orientierung bieten die üblichen Kosten, die sonst für die Neuausstellung eines Dokuments verlangt werden, etwa für die Neuausstellung eines Führerscheins oder einer Krankenkassenkarte nach Verlust.

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