§ 11 SBGG

Eltern-Kind-Verhältnis

(1) Der Geschlechtseintrag im Personenstandsregister ist für das nach den §§ 1591 und 1592 Nummer 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestehende oder künftig begründete Rechtsverhältnis zwischen einer Person und ihren Kindern unerheblich. Für das nach § 1592 Nummer 1 oder 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestehende oder künftig begründete Rechtsverhältnis zwischen einer Person und ihren Kindern ist ihr Geschlechtseintrag im 
Personenstandsregister zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes maßgeblich, es sei denn, sie hat im Rahmen der Beurkundung der Geburt des Kindes gegenüber dem Standesamt erklärt, dass ihr Geschlechtseintrag vor Abgabe der Erklärung gemäß § 2 maßgeblich sein soll.


(2) Das bestehende Rechtsverhältnis zwischen einer Person und ihren angenommenen Kindern bleibt durch eine Änderung des Geschlechtseintrags unberührt. Für das künftig begründete Rechtsverhältnis zwischen einer Person und ihren angenommenen Kindern ist ihr Geschlechtseintrag im Personenstandsregister zum Zeitpunkt der Annahme maßgeblich.

Die folgenden Ausführungen sollen die Inhalte des Selbstbestimmungsgesetzes verständlich erklären. Es sind noch nicht alle Regelungen kommentiert. Sie bilden unseren jetzigen juristischen Wissensstand ab (Juli 2024). Wir beziehen uns auf den Gesetzestext und die Gesetzesbegründung. Gegebenenfalls ergeben sich zu einem späteren Zeitpunkt Anpassungsbedarfe. Unter dem Menüpunkt ‚Kritik‘ finden sich kritische Einordnungen des Gesetzes aus Perspektive von (Selbstvertretungs-)Organisationen.

Das sogenannte Abstammungsrecht regelt, welche Personen einem Kind als rechtliche Eltern zugeordnet werden.

Das geltende Recht ist sehr binär und berücksichtigt trans*, intergeschlechtliche und nicht-binäre Eltern nicht. Eine Reform ist angekündigt, steht aber noch aus.

Aktuell gibt es rechtlich zwei Eltern: die rechtliche „Mutter“ und den rechtlichen „Vater“. Die Zuordnung ist im Bürgerlichen Gesetzbuch, in §§ 1591 ff. BGB geregelt.

Dort heißt es: „Mutter eines Kindes ist die Frau, die das Kind geboren hat.“
Für die Zuordnung der „Vaterschaft“ gibt es drei Möglichkeiten: ist die rechtliche „Mutter“ zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit einer Person mit männlichem Geschlechtseintrag verheiratet, wird diese Person automatisch als „Vater“ eingetragen. Ist die rechtliche „Mutter“ nicht mit einer Person mit männlichem Geschlechtseintrag verheiratet, kann eine Person mit männlichem Geschlechtseintrag die „Vaterschaft“ mit der Zustimmung der rechtlichen „Mutter“ anerkennen. Gibt es keinen „Vater“ qua Ehe oder Anerkennung, kann die rechtliche „Vaterschaft“ gerichtlich (meistens durch einen DNA-Test) festgestellt werden. Neben der familienrechtlichen Zuordnung ist im Personenstandsrecht geregelt, wie die rechtlichen Eltern in das Geburtenregister und auf der Geburtsurkunde des Kindes eingetragen werden.

Das Selbstbestimmungsgesetz legt nun in § 11 Abs. 1 SBGG Folgendes fest:

1. Die Person, die das Kind geboren hat, wird unabhängig von ihrem Geschlechtseintrag als rechtliche „Mutter“ des Kindes in das Geburtenregister eingetragen. Das gilt auch wenn die Person einen männlichen, diversen oder keinen Geschlechtseintrag hat. Die Person, die das Kind geboren hat, wird also in jedem Fall als „Mutter“ eingetragen, auch wenn das nicht ihrer Geschlechtsidentität entspricht.

2. Die Person, deren „Vaterschaft“ nach § 1592 Nr. 3 BGB gerichtlich festgestellt wurde, wird als „Vater“ in das Geburtenregister eingetragen.
In diesem Fall ist der personenstandsrechtliche Eintrag ebenfalls irrelevant.
Die gerichtliche Feststellung der „Vaterschaft“ erfolgt meistens mittels eines DNA-Tests. Die Gesetzesbegründung sagt, dass die Person als „Vater“ festgestellt werden kann, mit deren Samen das Kind gezeugt wurde. Das heißt, auch Personen mit weiblichem, diversen oder ohne Geschlechtseintrag können qua gerichtlicher Feststellung als „Vater“ des Kindes eingetragen werden, wenn sie nachweisen, dass das Kind mit ihrem Samen gezeugt wurde.
Wurde das Kind mit der Eizelle einer Person gezeugt, kann die Vaterschaft gemäß § 1592 Nr. 3 BGB leider nicht festgestellt werden.

3. Die Person, die mit der rechtlichen Mutter des Kindes verheiratet ist oder die „Vaterschaft“ anerkennt, muss grundsätzlich einen männlichen Geschlechtseintrag haben.
Zweiter Elternteil eines Kindes qua Ehe oder Anerkennung kann laut dem Selbstbestimmungsgesetz nur eine Person werden, die zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes einen männlichen Geschlechtseintrag hat. Das heißt, dass z.B. trans* Männer als Vater eingetragen werden können, auch wenn sie nicht genetisch mit dem Kind verwandt sind.

Die einmal anerkannte „Vaterschaft“ hat Bestand, auch wenn der zweite Elternteil später den Geschlechtseintrag ändert. Wer z. B. zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes den Geschlechtseintrag „männlich“ hatte und die „Vaterschaft“ anerkannt hat und dann den Geschlechtseintrag in „weiblich“ ändert, ist weiter „Vater“ des Kindes.
Allerdings kann eine Person, die ihren Personenstand erst nach der Geburt des Kindes in „männlich“ ändert, die Vaterschaft nicht anerkennen. Entscheidend ist der Eintrag „männlich“ zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes.

Personen mit weiblichem, diversen oder ohne Geschlechtseintrag zum Zeitpunkt der Geburt können leider nicht zweiter Elternteil qua Ehe oder Anerkennung werden. Hier wird auf die ausstehende Abstammungsrechtsreform verwiesen.
Wichtige Ausnahme: Etwas anderes gilt für Personen, die jetzt einen weiblichen, diversen oder gestrichenen Geschlechtseintrag haben, aber vor der Änderung einen männlichen Geschlechtseintrag hatten. Diese Personen haben ein Wahlrecht: Gemäß § 11 Abs. 1 S. 2 2 HS SBGG können sie sich im Verhältnis zu ihren Kindern auf den männlichen Geschlechtseintrag berufen. Sie werden dann als „Vater“ (und nicht als Mutter) des Kindes eingetragen. Es wird aber ihr aktueller Vorname eingetragen.
Diese Regelung soll eine Verschlechterung der Rechtslage für diejenigen Personen verhindern, die nach dem Transsexuellengesetz immerhin (wenn auch mit falscher Bezeichnung) noch unmittelbar rechtliche Eltern ihres Kindes werden konnten.

Erklärt hingegen eine Person mit männlichem Geschlechtseintrag zum Zeitpunkt der Geburt, dass ihr weiblicher, diverser oder gestrichener Geschlechtseintrag vor Abgabe der Erklärung entscheidend sein soll, ist sie genau wie alle anderen Personen mit diesen Einträgen auf das Adoptionsverfahren verwiesen. 

Zusammengefasst: Zweiter Elternteil eines Kindes kann qua Ehe oder Anerkennung nur werden, wer zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes einen männlichen Geschlechtseintrag hat oder vor der Änderung des Geschlechtseintrags einen männlichen Eintrag hatte.
Personen mit weiblichem, diversen oder ohne Eintrag können nur „zweiter“ Elternteil ihres Kindes werden, wenn sie zuvor einen männlichen Eintrag hatten oder wenn ihre „Vaterschaft“ qua DNA-Test festgestellt wurde.

4. Geburtsurkunde
Neben der familienrechtlichen Zuordnung an sich gibt es die entsprechende personenstandsrechtliche Eintragung in das Geburtenregister. Aus dem Eintrag im Geburtenregister wird die Geburtsurkunde erstellt. Hierzu gibt es Regelungen in der Personenstandsverordnung.
Anders als beim sogenannten Transsexuellengesetz werden Personen, die als „Mutter“ eingetragen werden, aber einen männlichen, diversen oder keinen Geschlechtseintrag haben, mit ihrem/ihren aktuellen Vornamen und Geschlechtseintrag in das Geburtenregister eingetragen. Gleiches gilt für Personen, die nach den abstammungsrechtlichen Regeln als „Vater“ eingetragen werden, aber keinen männlichen Geschlechtseintrag haben. Dieses Auseinanderfallen von geschlechtlicher Elternrolle und Eintrag wird bewusst hingenommen.

Mit dem Selbstbestimmungsgesetz wird auch die Personenstandsverordnung geändert. Der neue § 48 Abs. 1a PStVo legt fest, dass auf Verlangen der Person, die als „Mutter“ oder als „Vater“ eingetragen ist, stattdessen in der Geburtsurkunde des Kindes auch die Bezeichnung „Elternteil“ stehen kann.

Beispiel 1: Leroy ist ein trans* Mann, der sein Kind selbst geboren hat. Er wird in das Geburtenregister als „Mutter“ eingetragen, aber mit seinem männlichen Geschlechtseintrag und seinem Namen Leroy. Er kann verlangen, dass auf der Geburtsurkunde seines Kindes statt „Mutter“ „Elternteil“ steht. Leider kann er nicht verlangen, als „Vater“ eingetragen zu werden. Die Geburtsurkunde ist im Rechtsverkehr wichtig als Beweis für die Eltern-Kind-Zuordnung, etwa bei Schulanmeldungen oder Ärzt*innenbesuchen.

Beispiel 2: Alice hat einen weiblichen Geschlechtseintrag und ist mit Anil verheiratet. Anil hat das gemeinsame Kind geboren. Alice hatte mal einen männlichen Geschlechtseintrag. Bei der Beurkundung der Geburt des Kindes beruft sie sich darauf. Sie wird dann, weil sie mit Anil verheiratet ist, automatisch als Vater des Kindes in das Geburtenregister eingetragen, aber mit ihrem Namen Alice und ihrem weiblichen Geschlechtseintrag. Auch sie kann verlangen, dass sie auf der Geburtsurkunde des Kindes als Elternteil bezeichnet wird.
Beruft sie sich nicht auf ihren ehemaligen männlichen Geschlechtseintrag, muss Alice das Kind als Stiefkind adoptieren.

Absatz 2 regelt das Verhältnis zwischen einer Person und den von ihr adoptierten Kindern. Maßgeblich ist der Geschlechtseintrag zum Zeitpunkt der Adoption: Hat eine Person zu diesem Zeitpunkt etwa einen weiblichen Geschlechtseintrag, bleibt sie rechtlich die „Mutter“ des Kindes, auch wenn sie den Geschlechtseintrag später ändert. Wenn die annehmende Person einen divers- oder keinen Geschlechtseintrag hat, wird sie im Geburtenregister als „Elternteil“ bezeichnet. Das bestimmt § 42 Abs. 3 S. 2 PStV.

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