§ 13 SBGG
Offenbarungsverbot
(1) Sind Geschlechtsangabe und Vornamen einer Person nach § 2 geändert worden, so dürfen die bis zur Änderung eingetragene Geschlechtsangabe und die bis zur Änderung eingetragenen Vornamen ohne Zustimmung dieser Person nicht offenbart oder ausgeforscht werden. Satz 1 gilt nicht, wenn
1. amtliche Register oder amtliche Informationssysteme personenbezogene Daten zu dieser Person enthalten und im Rahmen der jeweiligen Aufgabenerfüllung von öffentlichen Stellen die Verarbeitung von Daten nach Satz 1 nach anderen Rechtsvorschriften erforderlich ist,
2. besondere Gründe des öffentlichen Interesses eine Offenbarung der Daten nach Satz 1 erfordern oder
3. ein rechtliches Interesse an den Daten nach Satz 1 glaubhaft gemacht wird.
Besondere Gründe des öffentlichen Interesses nach Satz 2 Nummer 2 sind insbesondere dann gegeben, wenn die Offenbarung der Daten zur Erfüllung der Aufgaben von Strafverfolgungs- oder Sicherheitsbehörden sowie amtlichen Stellen mit Sicherheitsaufgaben erforderlich ist.
(2) Ein früherer und der derzeitige Ehegatte, Verwandte in gerader Linie und der andere Elternteil eines Kindes der betroffenen Person sind nur dann verpflichtet, deren geänderten Geschlechtseintrag oder deren geänderte Vornamen anzugeben, wenn dies für die Führung öffentlicher Bücher und Register oder im Rechtsverkehr erforderlich ist. Im Übrigen gilt für sie das Offenbarungs- und Ausforschungsverbot nach Absatz 1 Satz 1 nicht, es sei denn, sie handeln in Schädigungsabsicht. 3Die Ausnahme nach Satz 1 gilt nicht für
1. den Ehegatten aus einer nach der Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen geschlossenen Ehe,
2. das nach der Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen geborene oder angenommene Kind,
3. den anderen Elternteil eines Kindes, das geboren oder angenommen wurde, nachdem die betroffene Person die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen erklärt hat.
(3) Das Offenbarungsverbot nach Absatz 1 Satz 1 steht einer weiteren Verarbeitung der bis zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen in amtlichen Registern oder Informationssystemen enthaltenen Angaben nicht entgegen. Amtliche Register und amtliche Informationssysteme dürfen zur Nachvollziehbarkeit der Identität von Personen die bis zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen eingetragenen Angaben verarbeiten, wenn andere Rechtsvorschriften eine Verarbeitung der aktuellen Daten vorsehen.
(4) Mitteilungen und Informationen zwischen amtlichen Registern und amtlichen Informationssystemen sowie solche Abrufe aus diesen, die aufgrund anderer Rechtsvorschriften erfolgen, sind ungeachtet des Offenbarungsverbots nach Absatz 1 Satz 1 zulässig.
Die folgenden Ausführungen sollen die Inhalte des Selbstbestimmungsgesetzes verständlich erklären. Es sind noch nicht alle Regelungen kommentiert. Sie bilden unseren jetzigen juristischen Wissensstand ab (Juli 2024). Wir beziehen uns auf den Gesetzestext und die Gesetzesbegründung. Gegebenenfalls ergeben sich zu einem späteren Zeitpunkt Anpassungsbedarfe. Unter dem Menüpunkt ‚Kritik‘ finden sich kritische Einordnungen des Gesetzes aus Perspektive von (Selbstvertretungs-)Organisationen.
Das Offenbarungsverbot gemäß § 13 SBGG dient dem Schutz der Identität von trans*, intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen. Es verbietet die Offenlegung früherer Geschlechtseinträge oder Vornamen ohne Zustimmung der betroffenen Person. Das Offenbarungsverbot verhindert so ein unfreiwilliges Outing. Dieser Paragraph ist eine wesentliche Säule des Schutzes und der Privatsphäre der Betroffenen.
Hierbei bedeutet „Offenbaren“ das Mitteilen einer Tatsache an eine dritte Person, die diese Tatsache zuvor nicht kannte.
„Ausforschen“ meint das intensive oder ständige Nachfragen nach den bisherigen Daten der betroffenen Person.
Absatz 1 beschreibt das grundsätzliche Verbot, frühere Geschlechtseinträge oder Vornamen einer Person ohne deren Zustimmung offenzulegen. Verboten ist es auch, aktiv Ermittlungen nach diesen Informationen zu führen. Dieser Schutz erstreckt sich sowohl auf staatliche als auch auf private Stellen. Zu diesem grundsätzlichen Verbot führt der Paragraph folgende Ausnahmen auf:
Amtliche Register: Eine Ausnahme gilt, wenn amtliche Register oder Informationssysteme noch die alten Daten enthalten und deren Verarbeitung weiterhin nach anderen Rechtsvorschriften vorgeschrieben ist.
Öffentliches Interesse: Eine weitere Ausnahme liegt vor, wenn besondere Gründe des öffentlichen Interesses dies erfordern. Das kann zum Beispiel bei Personenkontrollen durch die Polizei oder der Ermittlung des Versicherungsverlaufs in der gesetzlichen Rentenversicherung der Fall sein.
Rechtliches Interesse: Die bis zur Änderung eingetragenen Daten dürfen ebenfalls noch weiterverarbeitet werden, wenn ein rechtliches Interesse daran glaubhaft gemacht werden kann. Das kann zum Beispiel bei zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen oder zur Feststellung der Identität einer Person in einem Vertrag oder Testament der Fall sein.
Absatz 2 regelt die Interessen von Angehörigen wie Kindern, Eltern und (früheren) Ehegatten. Diese können nach der Gesetzesbegründung ein legitimes Interesse daran haben, früher eingetragene Vornamen und Geschlechtseinträge von Betroffenen als Teil ihrer eigenen Lebensgeschichte zu verwenden. Deshalb sind Angehörige nur verpflichtet, den geänderten Geschlechtseintrag oder die geänderten Vornamen anzugeben, wenn dies zur Führung öffentlicher Bücher und Register oder im Rechtsverkehr erforderlich ist.
Diese Ausnahme vom Offenbarungsverbot gilt nicht für Angehörige, die erst nach der Änderung des Eintrags in das Leben der betroffenen Person getreten sind.
In Absatz 3 ist geregelt, dass amtliche Register bis zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen die früheren Angaben verarbeiten dürfen, wenn dies durch andere Rechtsvorschriften vorgesehen ist.
Absatz 4 regelt, dass auch nach der Änderung ein Informationsaustausch zwischen Behörden über bereits vorhandene Daten zu einer Person möglich sein soll, soweit andere Rechtsvorschriften das erlauben.
In der Praxis bedeutet dies, dass alle Stellen – staatliche wie private – sicherstellen müssen, dass frühere Geschlechtseinträge und Vornamen nicht ohne ausdrückliche Zustimmung offengelegt werden. Behörden sollten ihre Datenbanken entsprechend anpassen und Mitarbeitende entsprechend schulen. Angehörige sollten informiert werden, unter welchen Bedingungen sie frühere Geschlechtseinträge nennen dürfen.