§ 2 SBGG

Erklärungen zum Geschlechtseintrag und zu den Vornamen

(1) Jede Person, deren Geschlechtsidentität von ihrem Geschlechtseintrag im Personenstandsregister abweicht, kann gegenüber dem Standesamt erklären, dass die Angabe zu ihrem Geschlecht in einem deutschen Personenstandseintrag geändert werden soll, indem sie durch eine andere der in § 22 Absatz 3 des Personenstandsgesetzes vorgesehenen Angaben ersetzt oder gestrichen wird. Liegt kein deutscher Personenstandseintrag vor, so kann die Person gegenüber dem Standesamt erklären, welche der in § 22 Absatz 3 des Personenstandsgesetzes vorgesehenen Angaben für sie maßgeblich ist oder dass auf die Angabe einer
Geschlechtsbezeichnung verzichtet wird.

(2) Die Person hat mit ihrer Erklärung zu versichern, dass
1. der gewählte Geschlechtseintrag beziehungsweise die Streichung des Geschlechtseintrags ihrer
Geschlechtsidentität am besten entspricht,
2. ihr die Tragweite der durch die Erklärung bewirkten Folgen bewusst ist.

(3) Mit der Erklärung nach Absatz 1 sind die Vornamen zu bestimmen, die die Person zukünftig führen will und die dem gewählten Geschlechtseintrag entsprechen. § 11 in Verbindung mit § 3 Absatz 1 des Namensänderungsgesetzes bleibt unberührt.

(4) Gibt ein Ausländer die Erklärung nach Absatz 1 in dem Zeitraum von zwei Monaten vor dem Eintritt eines Ereignisses, das zum Erlöschen des Aufenthaltstitels nach § 51 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes und zur Ausreisepflicht nach § 50 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes führt, bis zu dem Zeitpunkt des Erlöschens des Aufenthaltstitels nach § 51 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes ab, so bleiben die bisherige Geschlechtsangabe
und die bisherigen Vornamen bestehen.

Die folgenden Ausführungen sollen die Inhalte des Selbstbestimmungsgesetzes verständlich erklären. Es sind noch nicht alle Regelungen kommentiert. Sie bilden unseren jetzigen juristischen Wissensstand ab (Juli 2024). Wir beziehen uns auf den Gesetzestext und die Gesetzesbegründung. Gegebenenfalls ergeben sich zu einem späteren Zeitpunkt Anpassungsbedarfe. Unter dem Menüpunkt ‚Kritik‘ finden sich kritische Einordnungen des Gesetzes aus Perspektive von (Selbstvertretungs-)Organisationen.

§ 2 SBGG regelt, was vor dem Standesamt erklärt und versichert werden muss, um Geschlechtseintrag und Vornamen zu ändern.

Den Inhalt der Erklärung vor dem Standesamt legt § 2 Abs. 1 Satz 1 SBGG fest. Danach könnte eine Erklärung zum Beispiel wie folgt lauten:

„Ich erkläre, dass die Angabe „weiblich“ in meinem Geburtenregistereintrag geändert werden soll, indem sie durch die Angabe „divers“ ersetzt wird.“

Die Erklärung muss keine Begründung enthalten.

Die wirksame Abgabe dieser Erklärung ist (nach Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes) die einzige Voraussetzung für die Korrektur von Geschlechtseintrag und Vornamen. Gutachten oder Bescheinigungen braucht es nicht.

Die Standesämter dürfen den Inhalt der Erklärung nicht überprüfen. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes.

Zusammen mit der Erklärung muss nach § 2 Abs. 2 SBGG eine Versicherung abgegeben werden. Diese könnte wie folgt lauten:

„Ich versichere, dass der gewählte Geschlechtseintrag meiner Geschlechtsidentität am besten entspricht.
Ich versichere weiterhin, dass ich mir der Tragweite der durch meine Erklärung bewirkten Folgen bewusst bin.“

Diese Versicherung wird durch eine Unterschrift auf dem Formular abgegeben. Eine sogenannte eidesstattliche Versicherung ist nicht erforderlich.

Auch die Versicherung darf nicht von den Standesämtern überprüft werden. Da es sich um innere Tatsachen handelt, wäre eine solche Prüfung von vornherein auch nicht möglich.

Gleichzeitig mit der Abgabe der Erklärung müssen ein oder mehrere neue Vorname(n) „bestimmt“, also ausgesucht und dem Standesamt mitgeteilt werden.
Nur den Geschlechtseintrag oder nur den Vornamen zu ändern, ist nach dem Selbstbestimmungsgesetz nicht möglich. Im TSG- und auch im PStG-Verfahren vor dem Selbstbestimmungsgesetz war das anders.
§ 2 Abs. 3 SBGG bestimmt, dass der Vorname dem gewählten Geschlechtseintrag „entsprechen“ muss. Gemeint ist, dass Vorname(n) und Geschlechtseintrag zueinander passen sollen.
Ob ein Name der – rein inneren – Geschlechtsidentität und damit dem gewählten Geschlechtseintrag entspricht, kann letztlich nur die erklärende Person selbst beurteilen. Von den Standesämtern muss die Vorgabe des „Entsprechens“ daher weit ausgelegt werden. Dies gilt insbesondere für nicht-binäre Geschlechtseinträge.
Entgegen den Aussagen einiger Standesämter muss nicht zwingend die gleiche Anzahl von Vornamen geführt werden. Das ist weder im Selbstbestimmungsgesetz noch in anderen Gesetzen bestimmt.
Man kann auch den bisherigen Vornamen weiterführen. Dazu muss der Vornamen, den die Person bisher geführt hat, zum neuen bestimmt werden:
Beispiel: Pascale ist nicht-binär und möchte Pascales Geschlechtseintrag streichen lassen. Pascale könnte „Toni“, aber auch „Pascale“ zum „neuen“ Vornamen bestimmen.

Für Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft, die grundsätzlich ein Verfahren nach dem SBGG durchführen können (siehe dazu Kurzkommentar zu § 1 Abs. 3 SBGG), gibt es eine weitere Ausnahmeregelung im SBGG.

§ 2 Abs. 4 SBGG regelt, dass der bisherige Geschlechtseintrag und die bisherigen Vornamen bestehen bleiben, wenn die Erklärung zur Änderung nach § 2 Abs. 1 SBGG in einem Zeitraum von zwei Monaten vor einem Ereignis erfolgt ist, das zum Erlöschen des Aufenthaltstitels führen kann. Die Vorschrift unterstellt, dass es Personen geben könnte, die das Verfahren zur Änderung von Geschlechtseintrag und Vorname(n) lediglich zur Vereitelung einer Abschiebung durchführen. Die Gesetzesbegründung geht davon aus, dass die jeweiligen Herkunftsstaaten die Rücknahme verweigern könnten, wenn sich die „Identifizierungsmerkmale“ (also Geschlechtseintrag und Vorname(n)) in den Dokumenten verändert haben.

Ereignisse, die zum Erlöschen des Aufenthaltstitels und zur Ausreisepflicht führen können, sind beispielsweise (Aufzählung nicht abschließend):
– Die Aufenthaltserlaubnis ist abgelaufen und kann nicht mehr verlängert werden.

- Die Aufenthaltserlaubnis wird von der Ausländerbehörde zurückgenommen oder widerrufen, weil die Voraussetzungen dafür nicht (mehr) erfüllt sind, z.B. weil die eheliche Lebensgemeinschaft mit einer deutschen Person nicht mehr besteht oder wenn der Flüchtlingsstatus rechtswirksam widerrufen wurde.

- Die Ausländerbehörde erlässt einen Ausweisungsbescheid (z.B. bei Straftaten), der rechtswirksam wird.

- Die betroffene Person ist ausgereist und innerhalb von sechs Monaten (oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist) nicht wieder eingereist.

Wenn der Aufenthaltstitel erloschen ist, tritt die Ausreisepflicht ein. Die Ausländerbehörde fordert dann zur Ausreise auf. Wenn die Ausreise nicht „freiwillig“ erfolgt, kann eine Abschiebung erfolgen.

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